Von
Michael-R.
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So, ich habe den von Yiannis verlinkten Artikel mal übersetzt. Das ist zwar lang, aber erstens ist so etwas eine interessante sprachliche Herausforderung, und zweitens kann sich dann jeder unmittelbar darüber informieren, was in dem Artikel steht. ;-) (Ich denke, meine Übersetzung ist inhaltlich korrekt, auch wenn ich mir in der Schnelligkeit mit der Stilistik nicht so viel Mühe gemacht habe.)
Unter dem von Yannis geposteten Link gibt es auch Fotos, die die Situation in dem Heim veranschaulichen. ------------------
Übersetzung:
Harte Reportage der BBC: In Lechäna sperrt man Kinder mit besonderen Bedürfnissen in Käfige
Kopfzerbrechen und Wut verursacht eine harte Reportage der BBC über das "Zentrum (Heim) für die Betreuung von Kindern mit besonderen Bedürfnisssen" in Lechäna. Die BBC spricht von Kindern mit Behinderungen, die "in Käfigen eingesperrt" seien und berichtet, dass in Griechenland behinderte Menschen häufig stigmatisiert würden.
Betreffend das konkrete Zentrum in Lechäna wird vermerkt, dass das Personal sage, es wolle die Lebensbedingungen für die Kinder verbessern, es aber keine ausreichenden finanziellen Mittel gebe. Es wird betont, dass sechs Mitglieder des Personals sich um mehr als 65 behinderte Kinder kümmerten. Die schlechten Lebensbedingungen im konkreten Zentrum seien laut der Reportage von BBC World Service vor fünf Jahren ans Licht der Öffentlichkeit gedrungen, als eine Gruppe europäischer Schulabsolventen etliche Monate als Freiwillige in der Einrichtung verbracht habe.
Eine von ihnen, eine Psychologin aus Portugal, erklärt, dass sie am ersten Tag schockiert gewesen sei. "Ich konnte mir niemals vorstellen, dass wir einen solchen Zustand in einem modernen europäischen Land haben würden, aber noch mehr überraschte mich, dass sich das Personal so benahm, als ob das etwas Alltägliches wäre", sagt Katharina Neves. Die Berichte der Freiwilligen führten 2010 zu einem verurteilenden Bericht durch den [griechischen] Bürgeranwalt, in dem – wie die BBC betont – unter anderem auch auf etliche Todesfälle infolge mangelhafter Beaufsichtigung Bezug genommen werde.
Wie berichtet wird, habe die Verwaltung des Betreuungszentrums nach diesen Vorfällen entschieden, dass der Schutz der Kindern wegen mangelnden Personals unmöglich sei. Als Lösung sei die Herstellung dieser hölzernen "Käfige" gewählt worden. Allerdings hatte der Bericht des Bürgeranwalts die Käfige sowie jede Art des lang andauerndern Einsperrens der Kinder als "klar rechtswidrige" Maßnahme bezeichnet, die "in direktem Gegensatz zu der Verpflichtung zum Respekt und Schutz der Menschenrechte" stehe.
Der Bericht forderte die Regierung auf, sofort Schritte zur Verbesserung der Situation zu setzen, doch die Reportage der BBC zeigt, dass die Änderungen nur oberflächlicher Natur waren. Es wird beispielsweise berichtet, dass manche der Holzstäbe angestrichen worden seien und dass ein Bereich mit Spielzeugen geschaffen worden sei, es aber auch dort noch niemanden gebe, der mit den Kindern rede, die "allein im Zimmer auf kleinen Plastikauflegern sitzen und die Wände anstarrend vor und zurück wippen, während ein Angestellter von der Tür aus zusieht." Gleichzeitig gebe es nur einen Pfleger und einen Assistenten pro Stockwerk, mit einer Verantwortung für über 20 Kinder, während es auch keinen ständigen Arzt im Zentrum gebe.
Wie eine namentlich nicht genannt sein wollende Pflegerin bezeugt, gebe es weiters zu Nachtzeiten häufig einen Pfleger mit drei Assistenten für über 60 Patienten. "Würden sich medizinische Probleme mit den Kinder ergeben, wäre niemand da, den ich um Hilfe bitten könnte, außer Gott", erklärt sie charakteristisch. Sie selbst hält die hölzernen Abtrennungen für notwendig: "Wir haben um diese Gitterbetten gekämpft, um den Kindern mehr Freiheit zu geben. Zuvor waren sie permanent mit Händen und Füßen an ihre Betten gebunden". Sie fügt hinzu, dass die Kinder mittlerweile an die Holzstäbe gewöhnt seien und sie ihnen gefielen.
Der freiwillige Arzt im Zentrum Jorgos Gotis sagt, dass er das Betreuungszentrum als eine der besten Einrichtungen für behinderte Kinder nicht nur in Griechenland, sondern auch in Europa ansehe. Er erläutert, dass die teuren Betten mit den speziellen Käfigen hergestellt worden seien, um die Kinder vor Selbstverletzungen zu schützen, und das Ergebnis zufriedenstellend sei.
Die neue Leiterin des Zentrums, Tzina Tsoukala, die seit einem Jahr nicht bezahlt wurde, sagt, dass sie nicht ihren Rücktritt einreichen könne, weil sie sich gegenüber den dort befindlichen Kindern verpflichtet fühle. "Klarerweise sollte wir keine Käfige haben, aber es ist für uns unmöglich, mit so wenig Personal ohne diese zurechtzukommen. Einige der Anstaltinsassen haben Tendenzen zur Selbstverletzung oder lassen sich auf Streitereien ein, und daher müssen wir über Ratschlag des Arztes diese hölzernen Abtrennungen benützen. Aber die Kinder "können dennoch frei kommunizieren und in einem gewissen Maß untereinander agieren", erklärt Frau Tsoukala. Hingewiesen sei darauf, dass mehr als 2/3 der Kinder, die im Betreuungszentrum leben, von ihren Eltern verlassen wurden.
Jedenfalls betont ein Vertreter der Internationalen Organisation zum Schutz der Menschenrechte von Personen mit geistiger Behinderung (MDAC) gegenüber der BBC, dass die Käfige nicht für den Schutz der Kinder bestimmt seien, sondern den des Personals. "Sie beruhen auf einem Betreuungsmodell, das mit Zwang, Freiheitsbeschränkung und leichterer Handhabung der Personen mit Behinderung zusammenhängt, nicht mit ihrer Behandlung als menschliche Wesen mit Rechten", sagt Steven Allen. Er fügt hinzu, dass das Einsperren in einen Käfig psychologische und möglicherweise körperliche Probleme erzeuge.
Die Organisation MDAC sagt, dass die einzigen anderen Länder, die ähnliche Käfige benützen würden, Tschechien und Rumänien seien. Gleichzeitig berichtet die Reportage von BBC World Service von einem modernen Zentrum für Menschen mit Behinderung in Hlia, das aber leer stehe, weil der griechische Staat nicht über das Geld für die Anstellung von Personal verfüge.
Die zuständige Generalsekretärin im Ministerium für Arbeit und Sozialversicherung, Efi Bekou, erklärt der BBC, dass es Pläne zur Verbesserung der Lebensbedingungen in der Einrichtung von Lechäna und anderen ähnlichen Betreuungszentren in ganz Griechenland gebe. Sie erwähnt weiters, dass die Beschränkungen für die Personaleinstellung im öffentlichen Dienst, die im Rahmen der Vereinbarung mit den internationalen Gläubigern des Landes verordnet worden seien, dazu führten, dass die Anstellung einer ausreichenden Anzahl von Personal für das Betreuungszentrum in Lechäna unmöglich wäre. ------------------ Ende der Übersetzung
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